Montag, 13. März 2017
Untergehen oder springen
Der alte Trainer rutschte unbehaglich auf seinem Sitz hin und her, ohne etwas zu erwidern. Es stand ihm der Sinn nach Veränderung, doch er wusste nicht genau, wie er das sagen, es ausdrücke sollte, ohne seinen Schützling zu verletzen. Dessen Karriere war zwar nicht garantiert, aber er war sehr talentiert, sodass er auch einen anderen Trainer finden und mit ihm den Zenit erreichen konnte. Doch was war mit seiner Frau? Er konnte es seiner Frau nicht sagen, weil er noch nicht wusste, was "es" war. Ja, er wünschte sich eine Veränderung herbei, wusste aber nicht, welche. Er wusste nicht, was da in ihm am Wachsen war und er konnte auch nicht feststellen, ob er einen konkreten Bereich seines Lebens neu beackern wollte oder ob "es" nicht eher ein Erdbeben war, das im Untergrund seines Lebens stattfand und eine solche Verwandlung mit sich brachte, dass er sich danach nicht mehr wiedererkennen würde. Wenn diese Welle ihn schon überrollen würde, dann wünschte er sich, dass es ohne Vorwarnung geschehen möge und ihn vor vollendete Tatsachen stellen würde. Der Gedanke daran, dass es ihm bestimmt war, eine große Transformation in seinem Leben zu durchlaufen, die bitter nötig war, doch die er durch radikale Schritte selbst einleiten müsste, war eine Qual für ihn. Dass diese Wagnis seine ihm bestimmte Aufgabe war, und dass er nie wieder glücklich sein, sich nie wieder so erfüllt wie jetzt fühlen würde, wenn er diesen notwendigen Reifungsprozess nicht mitmachte. Er kannte sich und wusste, dass er sich mit aller Kraft der Veränderung entgegenstemmen würde, auch um den Preis seines Glücks. Er hatte eine große Angst vor solchen Sprungbrettern, weil alle umbruchartigen Änderungen in seinem Leben zu einem totalen Kontrollverlust geführt und oft zu viel Leid und Schmerz, wenn auch mancher Freude geführt hatten. Deswegen wollte er, wenn es sein musste, davon überrollt werden und sich nicht auch noch "freiwillig" dafür entscheiden müssen, der Überrollung zuzustimmen oder nie wieder glücklich zu sein. Hätte er die Wahl, würde er für nein stimmen und sich selber zerstören, innerlich aufbrauchen und sterben, alles, aber nur nicht den Boden unter den Füßen weggezogen bekommen. Lieber verrottete und verging er in der ihm bekannten Misere, denn wenn sie auch immer schlimmer wurde, so war es doch nur eine Steigerung des ihm Bekannten, und das gab ihm Sicherheit.

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