Freitag, 31. März 2017
Ob sowas anderen auch durch den Kopf geht?
Mein fünfundreißigster Geburtstag rückt unaufhaltsam näher und meine Panik, nichts erreicht zu haben, steigt, während meine lebenswerte Zeit und das, was man noch im entferntesten als Jugend bezeichnen kann, bald offiziell abläuft. (Eine Möglichkeit, dies zu verhindern wäre es, diese Ansicht zu ändern.) Ich lese vom Geist des Kaizen: Jeden Tag kleine Schritte machen, die über längere Zeit hinweg zu großen Veränderungen führen. In Teilen meines Lebens tue ich das, aber in anderen gleicht es einer Müllhalde. Seit ich von zuhause aus- und ins selbstständige Leben eingezogen bin, will ich alles schaffen und das sofort und leide unter enormem Stress, ohne viel dabei zu erreichen. Es steht der Stress, den ich gehabt habe, in keinem Verhältnis zu dem wenigen, das ich erreicht habe. So gesehen könnte ich ja jetzt, mit 34, endlich aufhören, nach dieser Methode zu leben und endlich etwas tun, was wirklich funktioniert, nämlich täglich viele kleine Schritte zu machen hin zu den Zielen, die ich erreichen will. Selbst wenn ich nicht richtig weiß, was ich will, kann ich doch immer wieder ein bisschen was unternehmen, um es herauszufinden. Das kann mir keiner nehmen.

Das wird besser funktionieren und meine Freude am Leben wieder erwecken. Tatsächlich habe ich durch kleine Schritte in letzter Zeit viel erreicht. Durch das tägliche Anhören französischer Podcasts habe ich mein Französisch ein wenig verbessert, auf die gleiche Weise auch mein Spanisch. Ich habe mir neue Vorhänge gebastelt und schlafe ein wenig besser, weil jetzt endlich kaum mehr Tageslicht bei Sonnenaufgang in mein Zimmer fällt. Ich habe zwei Abonnementzahlungen gekündigt, die ich nicht mehr wirklich brauchte und mich bei einer anderen Gruppe Gleichgesinnter eingeschrieben, von der ich mir viel verspreche. Ich habe viel Energie in mir zum Fließen gebracht und Blockaden gelöst durch Schreiben und Selbsthilfetechniken, usw. usf. Es würde mir nicht schaden, öfter in Dankbarkeit an all das zu denken, was ich habe, denn das tut mir gut und ist wichtig, um im Auge zu behalten, was in einem Leben wirklich wichtig ist.

Meine Ruhelosigkeit kommt aus meinem Inneren. Ich bin eigentlich die meiste Zeit unglücklich, ob latent oder akut. Dauernd will ich an einen anderen Ort als an dem zu sein, wo ich bin. Ist das Wetter warm, fühle ich mich beengt und will es kühler. Ist es kühl und bewölkt, bin ich deprimiert und verärgert über die Zumutung, in so einem Klima leben zu müssen. Ich kann mich nicht für ein Land entscheiden, in dem ich leben will und auch nicht dafür, hier zu blieben der fortzugehen. Ich kann mich nicht entscheiden, ob ich mich mit einer gewissen Person treffen soll, denn ich will sie weder wiedersehen noch sie aus meinem Leben verbannen. Nur in verstreuten, meist kurzen Szenen meines Lebens war ich glücklich. Vielleicht habe ich noch nicht die Menschen und Orte gefunden habe, an und mit denen ich glücklich sein kann. Aber ich merke doch, dass etwas in mir sich gegen längeres Glücklichsein wehrt. Es will es einfach nicht! Unter welchen Umständen auch immer, ich kann immer und überall unzufrieden sein und mich an den einen magischen Ort wünschen, an dem ich Geborgenheit und Freiheit spüre und es gut aushalte, zur Ruhe zu kommen. Den aber finde ich nie, und ich will nicht ewig weitersuchen. Er ist nicht da draußen. Ich will die Handlungsquelle dieses Trauerspiels meines Lebens, dieses Bündel des Unglücks entpacken und auflösen und der Geschichte eine unerwartete Wendung zum Besseren geben.

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